Der Frühschoppen – Die neu entdeckte Tradition

Ich habe gehört, dass das Gaffel am Dom am 26. April einen Frühschoppen veranstaltet. Das hat bei mir direkt Erinnerungen geweckt – nicht nur an lange Vormittage mit Freunden, sondern auch an die vielen Geschichten – wahr oder unwahr, die wir uns beim Frühschoppen erzählt haben. Früher war das gang und gäbe. Heute ist es fast schon eine Rarität. Das habe ich zum Anlass genommen, ein bisschen tiefer zu graben. Was steckt eigentlich hinter dieser uralten Tradition?

Die Geschichte des Frühschoppens

Der Frühschoppen ist älter, als man denkt. Schon im Mittelalter war es üblich, dass sich die Menschen nach dem sonntäglichen Kirchgang im Wirtshaus trafen. Die Kirche war eine ernste Sache – und im Wirtshaus haben die Kirchgänger dann anschließend geredet, gelacht, debattiert und gefeiert. Es war der Platz für Gemeinschaft. Getrunken wurde dabei ein Schoppen, also ein Krug Wein oder Bier. Daher der Name.

Im 18. und 19. Jahrhundert etablierte sich der Frühschoppen endgültig als feste Institution. Vor allem auf dem Land gehörte er zur Woche wie der Markt am Samstag. Die Männer trafen sich – meistens ohne Frauen –, um Karten zu spielen, sich auszutauschen oder einfach das Wochenende langsam anlaufen zu lassen. Je nach Region gab’s dazu andere Getränke: in Franken ein Helles, in Bayern Weißbier, im Rheinland natürlich ein Wiess oder Kölsch.

Übrigens: In Bayern ist der Frühschoppen bis heute nahezu heilig. Dort wird er klassisch mit Weißwurst, Brezn und Weißbier zelebriert – und das aus gutem Grund nur bis 12 Uhr, weil es früher keine Kühlung gab. Das macht ihn zu einem Ritual mit eingebautem Zeitlimit.

In Köln und im Rheinland ging es hingegen lockerer zu. Hier zählte weniger die Uhrzeit als das Zusammensein. Die Frühschoppen gab es in den 1980er Jahren in vielen Kneipen der Südstadt noch mit Liveband oder auch nur so. Wie wichtig die Kultur war, zeigt auch eine sehr populäre Sonntagssendung. In den 1950er- bis 80er-Jahren lief in der ARD um 12 Uhr der Internationalen Frühschoppen mit Werner Höfer, der Vorläufer des heutigen Presseclubs.

Ein Tag im Brauhaus

Heute ist der Frühschoppen selten geworden. Umso schöner ist es, wenn er wieder auflebt – so wie am 26. April im Gaffel am Dom. Dort wird er nicht nur als kurzer Vormittagsevent verstanden, sondern als neue Idee: Verbring doch einfach den ganzen Tag im Brauhaus.

Tagsüber spielt der Stadtklimperer, abends übernimmt dann Ben Randerath die Bühne mit seiner 90er Mitsingparty.

Zudem kann man den ganzen Tag Kartenspielen, Knobeln, klönen oder einfach nur Gaffel Kölsch oder Wiess trinken. Nicht zu vergessen, Fußball! Die 1. und 2. Bundesliga wird parallel gezeigt. Der FC spielt an diesem Tag nicht.

Was ich spannend finde, ist das Stiefeltrinken, das ebenfalls angeboten wird. Dabei wird das Kölsch gemeinsam aus einem großen Bierstiefel mit rund 2 Litern Fassungsvermögen getrunken. Der Stiefel wird reihum gegeben, und jeder nimmt einen Schluck. Klingt einfach, ist aber gar nicht ohne – denn durch die Form entsteht beim Trinken ein Unterdruck, der für spritzige Überraschungen sorgen kann. Das Ganze lebt von der Spannung und natürlich dem gemeinsamen Spaß an der Sache.

Die Geschichte des Stiefeltrinkens

Das Stiefeltrinken kommt vom Militär. Der Legende nach trank ein Offizier zur Feier eines Sieges aus seinem eigenen Stiefel – ein Ritual, das später in abgewandelter Form übernommen wurde. Um das Ganze hygienischer zu gestalten, entstand der Glasstiefel – und wurde bald zum Kultobjekt in Kneipen, Studentenverbindungen und am Stammtisch.

Im 20. Jahrhundert entstand daraus ein Trinkspiel: Wer die „Blase“ erwischt (also den Moment, in dem das Bier durch die Stiefelform plötzlich losschwappt), zahlt die nächste Runde.

Mein Fazit: Frühschoppen ist mehr als Nostalgie

Der Frühschoppen verdient eine Renaissance. Er ist ein Ausdruck von Geselligkeit, Gelassenheit und Gemeinschaft. Er braucht eigentlich kein großes Programm, sondern nur einen Ort, an dem man sich willkommen fühlt. Einen Ort wie das Gaffel am Dom.

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